¦wierzno (Schwirsen) - Gutsanlage
Maciej S³omiñski
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Hofseitige Ansicht von zwei Flügeln der
Gutsanlage |
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Eingangstor |
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Wandmalereien an der Decke des Festsaals |
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Tafel mit dem Datum des Umbaus der Gutsanlage
in 1923 |
Die barocke Gutsanlage ¦wierzno (Schwirsen) wurde
in den Jahren 1718-23 als Residenz von Bogislaw Bodo von Flemming (1671-1732)
gegründet. Dieser Nachkomme der in ¦wierzno-Raum seit dem 14. Jahrhundert
ansässigen Familie begann nach seiner Ausbildung an den europäischen Universitäten
die Offizierslaufbahn in der Garde des brandenburgischen Kurfürsten. Im
Jahre 1699 trat er in den Dienst bei August dem Starken, bei dem ihm der
Dienstgrad General Oberleutnant der Kavallerie verliehen wurde. Er heiratete
1703 die Münchner Adelstochter Luise von Wrech, verließ 1717 die Armee
und siedelte sich in Trzêsacz an nieder. Für den Standort seines neuen
Sitzes wählte er eine Stelle unweit des so genannten "alten Schlosses"
von 1665. Baupläne (diese sind bis in den zweiten Weltkrieg erhalten geblieben)
brachte er vermutlich aus Dresden mit dem damaligen Architekturzentrum.
Für die Ausführung der Bauarbeiten, die im Frühling 1718 starteten, schloss
er einen Vertrag mit dem Baumeister Andreas Haase aus Stargard.
In der Achse der Anlage wurden spiegelbildlich zwei
L-förmige Flügelgrundrisse angeordnet, die den Innenhof vom Süden, Osten
und Westen einschlossen. Der westliche und südwestliche Flügel sollten
als Hinterhaus dienen, der südöstliche Flügel war als Wagenschuppen und
der östliche als Stall geplant. Als nördlicher Abschluss war ein dreiflügeliges
Gutshaus geplant. Dieses wurde nicht ausgeführt. Die Funktion des Gutshauses
übernahmen der Westund Südwestflügel, die miteinander orthogonal verbunden
waren. 1728 wurde der in dem letzteren Flügel gelegene Festsaal fertig
gestellt. Der Ostflügel diente gemäß den ursprünglichen Bauplanungen -
als Stall, und der mit ihm über ein Tor verbundene Südostflügel hatte
die Funktion eines Hinterhauses. Im Jahre 1764 wurde "das alte Schloss"
zurückgebaut. Ende des 18. Jahrhunderts wurden an der Nordseite des Innenhofes
zwei Taubenställe in Form achteckiger Türme angebaut, die das Eingangstor
zur Parkanlage flankierten. An dem Zufahrtsweg von Süden wurden zwei lange
Wirtschaftshäuser errichtet. In dieser Form ist das Gutshaus bis in die
heutige Zeit hinein erhalten geblieben
Die rechteckigen Flügel sind teilweise in Fachwerkund
teilweise in Ziegelkonstruktion erbaut. Mansarddächer wurden auf dem Erdgeschoss
aufgesetzt. Die Hoffassaden des Ost- und Westflügels betonen die Mittelrisalite.
Die Fassadenmitte der kleineren Gebäude an der Südseite des Innenhofes
markieren Zwerchhäuser.
Die Gutsanlage ¦wierzno ist die früheste Umsetzung
einer Barockresidenz im französischen "entre cour et jardin"
Stil in Hinterpommern. Sie entstand wahrscheinlich unter dem Einfluss
der damaligen sächsischen Architektur. Der von drei Seiten eingeschlossene
"Cour d'honeur" (Ehrenhof) ist verbunden mit der geometrisch
geplanten Parkanlage im französischen Stil, deren Hauptachse ursprünglich
die Skulptur "Flora" abschloss.
Im Inneren des Gutshauses ist die historische Raumstruktur
erhalten geblieben. Die Kellerräume sind mit dem Tonnen- und Kreuzgratgewölbe
abgeschlossen. Im Erdgeschoss jedes Flügels sind zwei Raumfolgen und in
der Mitte eine Diele angeordnet. Den nördlichen Teil des Westflügels nimmt
ein großer Saal mit einem alten Kamin ein. Im Südwestflügel auf der westlichen
Seite der Diele ist der mit barocken Wandmalereien verzierter Festsaal
gelegen. In der Mitte einer seiner Längswände wurde eine Empore für Orchester
platziert. Über der Empore ist das Familienwappen von Flemming mit einem
Stiftungstext und dem Datum "1728" gemalt. Balustrade der Empore
hat ihre gemalte Verlängerung auf den Fassetten der Spiegeldecke. Hinter
der Balustrade sind Musikanten, Damen und italienische Schauspieler aus
der Commedie dell'arte dargestellt. An den grotesken Gesichtszügen mit
einer Hakennase und einem spitzigen Bart erkennen wir den Greis Pantalon,
der ungeachtet seines fortgeschrittenen Alters nach wie vor für Liebschaften
anfällig ist. Es gibt auch einen Hauptmann - einen Soldaten und Prahler
mit einem langen Schwert an der Seite, der heftig gestikuliert. Ein Harlekin
- ein Diener in einem Kostüm aus bunten Stofffetzen - poussiert mit einer
neben ihm stehenden Köchin. Eine Frau mit einem Schlüsselbund an der Seite
ist im Stil einer Soubrette - einer schlitzohrigen Dienerin, die hier
ein Kind auf ihrem Arm füttert, dargestellt. Der Schwarz gekleidete "Doktor"
mit einer Papierrolle und einem Gesetzbuch stellt eine Parodie für einen
gelehrten guten Redner dar. Ein Mann mit einer Pfeife im Mund, mit Wurst
und Weinglas in den Händen - das ist ein Sinnbild für Verfressenheit und
Trinksucht. Die ganze Komposition - in Westpommern einmalig - ist ein
Beweis für eine verblüffend lebendige Wahrnehmung der italienischen Kunst
in der Provinz Pommern.
Im Jahre 1734 ging die Gutsanlage ¦wierzno in den
Besitz der Familie Wartensleben über, 1919 gehörte sie dem Markgrafen
Hahn und 1936 (bis 1945) war sie Eigentum der Familie von Rüxleben. Durch
eine Sanierung in den Jahren 1923-35 bekam die Fassade des Gutshauses
ihr jetziges Aussehen. An diese Arbeiten erinnert eine Tafel an der Seitenwand
des Ostflügels. 1938 wurden die Wandmalereien im Festsaal konserviert.
Seit 1952 wurde das Gutshaus durch die LPG genutzt
und verfiel nach und nach. In den Jahren 1975-81 begann die Denkmalpflegerische
Werkstätten Szczecin seine Arbeiten an der Aufwertung der Anlage. Es wurden
u.a. Dächer beider Flügel des Gutshauses saniert und im Festsaal die Wandmalereien
konserviert. Das nach dem zweiten Weltkrieg zerstörte Wirtschaftshaus
an der westlichen Seite des Zufahrtsweges wurde wiederaufgebaut. Infolge
dessen ist das Ensemble (bis auf den bisweilen nicht sanierten Ostflügel)
in einem recht guten technischen Zustand erhalten geblieben. Im Jahre
1993 wurde das Ensemble privatisiert und gehört derzeit zu den interessantesten
Residenzanlagen in Westpommern.
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