Rybokarty (Ribbekart) - Herrenhaus
Anna Walkiewicz
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Seeseitige Ansicht des Palastes |
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Wappen der Familie von Lettow an der Stirnfassade
des Palastes |
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Innenraum des neubarocken Treppenhauses im
Turm |
Das Herrenhaus- und Parkensemble ist ein Beispiel
für ein inhomogenes Gebäude, das in den nacheinander folgenden Bauphasen
in der Periode zwischen der Mitte des 18. Jahrhunderts und dem Ausbruch
des ersten Weltkrieges verändert wurde.
Die Bauzeit der ursprünglichen barocken Residenz kann
ungefähr auf das 3. Jahrhundertviertel des 18. Jahrhunderts datiert und
auf die Tätigkeit des Kämmerers Karol Eligius von Edling, des letzten
aus diesem Geschlecht, zurückgeführt werden. Im Ergebnis der Archivrecherchen
und der Bauforschung im Bereich der Kellerräume und an den Außenmauern
des Herrenhauses wurde festgestellt, dass das Gebäude ursprünglich auf
einem rechteckigen Grundriss von 28 x 14 m Größe errichtet war. Es war
zweigeschossig, mit einem Mansarddach versehen, teilweise unterkellert,
besaß tonnengewölbte Kellerräume, Enfilade im Erdgeschoss und eine mittig
angeordnete Eingangshalle.
Die nächste Bauphase fand gegen Mitte des 19. Jahrhunderts
statt. Im Auftrag von Ferdinand von Lettow - dem damaligen Besitzer -
wurde der Umbau im romantischen neogotischen Stil nach englischen Vorbildern
durchgeführt. Am barocken Baukörper wurde von der Nordseite ein viereckiger
Turm mit Treppenhaus angebaut. Die Aufteilung der Fassade erfolgte mit
flachen Lisenen, die mit achteckigen, mittels Zinnenkranz untereinander
verbundenen Türmchen gekrönt waren. An der Stirnfassade (Ostfassade) wurde
ein Altan auf Pfeilern und an der Westseite eine pfeilergestützte Laube,
die auf eine Terrasse führte, angebaut. In Pommern wurden mehrere Adelssitze
Mitte des 19. Jahrhunderts unter Einsatz von gotikähnlichen Formen modernisiert.
Die Beliebtheit der neogotischen, architektonischen Formen resultierte
aus der Identifizierung der Gotik mit dem Nationalstil und der Idealisierung
des Mittelalters und des Rittertums.
1901 ging das Landgut in die Hände des Anwalts Fritz
Röchling über, der den gemütlichen Landsitz in eine repräsentative Residenz
umbauen ließ, was für den neuen Besitzer - einen Bürger - der Erhebung
in den Adelsstand gleichkam. Der umgebaute Palast bewahrte seine neugotische
architektonische Form und wurde mit einer Vielzahl von Motiven und Details
ergänzt, die an die malerische Neugotik anknüpften. Der Grundriss des
Palastes wurde bis zu 35 x 14 m vergrößert, der Baukörper in die südliche
Richtung um eine Achse verlängert und ein Anbau mit einem zusätzlichen
Treppenhaus neu errichtet. Im Innenraum wurde die Decke über dem Erdgeschoss
erhöht, was dazu geführt hat, dass das Mansarddach durch ein Walmdach
ersetzt werden musste. Die Mittelachsen der Hof- und Gartenfassade wurden
mittels Pseudo-Risalite betont. Ein Teil der Fensteröffnungen wurde verändert
und ihre Größe der neuen Höhe der Räume angepasst. Die Fenster in den
Pseudo-Risaliten erhielten Tudorbögen. Die Arkaden der Auffahrt vor dem
Eingang zum Turm wurden durch rechteckige Öffnungen ersetzt. Der Eingang
wurde niedriger gemacht. Ein Teil der Fenster, die den Turm mit dem Tageslicht
beleuchteten, wurden zugemauert. An der südlichen Seite des Turmes wurde
ein Türmchen angebaut, das die erste Etage des Palastes mit den Räumlichkeiten
im Turm verband. Das alte Treppenhaus im Turm wurde abgetragen und durch
ein repräsentatives Vestibülersetzt, das zum neuen, monumentalen, neobarocken
Treppenhaus im Westflügel führte. An der Attika der Westfassade blieb
das Wappen der Familie von Lettow erhalten. Bei der Dekoration der Innenräume
kamen Motive aus der Epoche der Renaissance, des Barocks und des Rokoko
zum Einsatz. An dem illusionistischen Plafond, der den Salon schmückte,
stand das Signet des bekannten Berliner Malers und Zeichners Albert Wirth
mit der Datierung "1903". Das lässt darauf schließen, dass die
anderen Elemente der prächtigen Innenraumausstattung aus Berlin eingeführt
wurden - jenem führenden Kulturzentrum in Preußen.
Ca. 1914 wurde an der Nordfassade ein zweigeschossiger
Flügel mit einem rechteckigen Turm angebaut. Zu dieser Zeit entstand auch
eine Mauer, die den repräsentativen Teil des Sitzes von dem wirtschaftlichen
trennte. Das Landgut blieb in Röchlings Besitz bis ca. 1930. Der nächste
Besitzer war ein gewisser Möller aus Gdafsk. Die Anlage blieb bis 1945
ohne Änderungen. Nach den Kriegshandlungen wurde das Herrenhaus, die Wirtschaftsgebäude
und die anliegenden Landwirtschaftsflächen an die Stadt Gryfice übergeben.
In den Jahren 1962-74 beherbergte das Herrenhaus eine Grundschule und
dann begann der Verfall des leer stehenden Gebäudes. Das ruinöse Herrenhaus
kaufte 1992 ein Privatbesitzer. In den Jahren 2000-2005 führte er die
Bauarbeiten an der Außenhülle des Gebäudes durch und passte einen Teil
der Innenräume an die Hotel- und Restaurantfunktion an. Ein Teil der historischen
Innenausstattung ist erhalten geblieben, darunter einige Elemente der
neubarocken Plastikdekorationen und Stuckarbeiten des repräsentativen
Treppenhauses, die schmiedeeisernen Treppen- und Galleriegeländer, ein
Fragment des illusionistischen Plafonds von A. Wirth und Fragmente der
Neurenaissanceverzierung des Salons.
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